Wie sinnvoll ist das Lernen mit Musik?
Viele Eltern und Lehrer sehen das gar nicht gern, wenn ihre Kinder und Schüler mit dem Stöpsel im
Ohr über ihren Hausaufgaben meditieren. Der Stöpsel ist zu einem treuen Begleiter bei Tag und Nacht
geworden, und das nicht nur für Kinder und Jugendliche, sondern für Erwachsene gleichermaßen. Es
verhält sich hier ein Stück weit wie mit dem Rauchen, nur eben umgekehrt: Während das Rauchen
sukzessive aus vielen Bereichen des Alltagslebens verbannt wird, erhält der Stöpsel samt Smartphone
in immer mehr Lebensbereiche Eingang. In der Freizeit scheint das für die meisten kein großes
Problem zu sein und niemanden wirklich weiter zu stören. Wie aber verhält es sich in der Arbeitswelt
oder zum Beispiel in der Schule? Fördert die Musik die Konzentration und wenn ja, inwieweit hängt
die Effektivität vom jeweiligen Musikstil ab? Erhöht das Musikhören beim Lernen die Konzentration?
Hier kommen einige Gedanken und Studienergebnisse.
Erinnern Sie sich noch an ihre Abizeitung? Vielleicht haben Sie sie sogar noch irgendwo auf dem
Dachboden. Ein moderner Abiturient dagegen hat seine Abizeitung idealerweise als eBook auf dem
Smartphone, damit er sie jedem jeder Zeit präsentieren und selbst lesen kann. Auch werden
Abizeitungen heute online gestaltet und zum Druck in Auftrag gegeben. Gute Anbieter gibt es da
mittlerweile en masse, so zum Beispiel dieses Portal hier.
Man sieht jedoch schnell: Die Zeiten ändern sich. Allein das Problem bleibt, dass die menschliche Wahrnehmung da nicht so schnell hinterher
kommt.
Dieses Phänomen nennt Daniel Pauly „shifting baselines“. Was hat es damit auf sich? Es handelt sich
dabei um eine Verschiebung bestimmter Referenzpunkte, die der menschlichen Wahrnehmung beim
Bemessen von Wandel dienen. Ein Beispiel: Im Jahre 2010 brachte Apple das iPad auf den Markt.
Heute hat man oft das Gefühl, dass es schon ewig da ist und nicht nur seit fünf Jahren. Es sind dies
vor allem die jungen Leute, die sogenannten „digital natives“, die den damit verbundenen Wandel als
nicht so gravierend erleben. Ältere Menschen hingegen, die bereits vor der Digitalisierungswelle
sozialisiert wurden, bemerken den Wandel deutlicher, weil ihre Referenzpunkte weiter in die
Geschichte zurückreichen.
Heute ist es also normal mit „Stöpseln“, also Kopfhörern durch die Gegend zu rennen, sich durch die
Art der jeweiligen Kopfhörer im sozialen Raum darzustellen und somit Zugehörigkeit zu bekunden.
D.h. den jungen Leuten fällt dies nicht oder weniger in Form eines sozialen Wandels ins Auge, als dies
bei den älteren der Fall ist. Dies macht es für sie natürlich schwieriger solche Entwicklungen zu
hinterfragen. Aber nur, weil etwas schwierig ist, heißt es ja nicht, dass man es nicht machen soll,
oder?
So behauptet eine Studie der Londoner Psychologin und Verhaltenstherapeutin Dr. Emma Gray, dass
Musikhörer besser lernen. Dazu ließ sie zwei Gruppen „pauken“ - die eine mit, die andere ohne
Musik. Nicht nur war die Lernleistung der Musikhörer höher, auch die Taktfrequenz habe Einfluss auf
das Lernverhalten gehabt. Zum Beispiel ließe sich die linke, logische Gehirnhälfte eher mit niedrigen
Taktfrequenzen stimulieren (50-80 bpm), die rechte, kreative Gehirnhälfte dagegen mit höheren (ca.
145 bpm).
Eine Studie der TU Dortmund kam ferner zu dem Ergebnis, dass das Musikhören weder die
Lernleistung und Konzentration der Schüler beeinträchtigt, noch eine Verbesserung bewirkt. Das
Hören der Lieblingsmusik wirke sich neutral aus, während Musik, die man nicht mag, durchaus
negative Effekte haben könne, so Projektleiter Prof. Dr. Günther Rötter. Diese Neutralität wäre laut
Rötter dadurch verursacht, dass die Schüler von heute es schlicht gewohnt seien, ständig Musik zu
hören, en passant sozusagen. Bei Erwachsenen müsse man hingegen mit generell negativen
Einflüssen der Musik beim Lernen rechnen, da diese die Dauerbeschallung eben nicht gewohnt seien.
Unklar ist, inwieweit Musikgenres und -lautstärke einen Effekt mit sich bringen.
Es ist also alles nicht so einfach. Relativ eindeutig scheint zumindest, dass sich Lärm, wie Baustellenoder
Partygeräusche ungünstig auf unsere Konzentration auswirkt, wie die Psychologin Maria Klatte
in einem Zeitinterview erklärt. Auch sie bestätigt, dass ruhige, langsame Musik immerhin keinen
negativen Einfluss auf die Lernleistung hat. Hektische, unruhige Musik wäre dagegen störend.
Schlussendlich scheint es im Ermessen der Hörerinnen und Hörer selbst zu sein, ob ihnen „der
Stöpsel“ beim Lernen hilft oder nicht. Früher oder später müssen sie ja auf die positiven oder
negativen Effekte des Musikhörens selbst aufmerksam werden. Da hilft also nur ausprobieren. Eines
sollte man letztlich aber doch im Hinterkopf behalten: Lernen wird man immer so oder so müssen!